Die Schweiz stimmt heute ab!

Mai 15, 2022

Bei der täglichen Arbeit motiviert mich der Blick zu unseren europäischen Nachbarn sehr. Er erinnert mich daran, worum es bei der direkten Demokratie geht und wofür es sich lohnt, sich unbeirrt einzusetzen: Dass jeder Einzelne ohne Wenn und Aber gemeint und gebraucht wird. Olof Palme, ehemaliger schwedischer Ministerpräsident, hat 1971 in einer Grundsatzrede zur Erneuerung der Demokratie dazu folgendes gesagt:

„Es ist eine Irrlehre, dass es Fragen gibt, 
die für normale Menschen zu groß und zu 
kompliziert seien. Akzeptiert man einen 
solchen Gedanken, so hat man einen ersten 
Schritt in Richtung Technokratie, Expertenherrschaft, 
Oligarchie getan. (…) Die Politik ist zugänglich, 
beeinflussbar für jeden. Das ist der zentrale 
Punkt der Demokratie.“

Unser südlicher Nachbar Schweiz macht es gerade vor und stimmt heute über drei Gesetzesvorlagen ab.

Schweiz – von EU-Grenzschutz bis Organspenden  
In der Regel gibt es in der Schweiz vier Volksabstimmungen pro Jahr. Wie ein Schweizer Uhrwerk liegen die zukünftigen Abstimmungstermine schon für die nächsten 20 Jahre fest.   

Zu der 319. Volksabstimmung am 15.05. werden drei Vorlagen abgestimmt: Über die Änderung des Filmgesetzes (Stichwort: Netflix & Co.), des Transplantationsgesetzes zu Organspenden und über den Ausbau der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex).   

Alle drei Vorlagen wurden in der Schweiz ausführlich und zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Auch wenn die Schweiz im Vergleich zu Deutschland kleiner ist, ihre Themen sind es nicht. Sie befassen sich mit ganz grundsätzlichen Fragen und sind mit der Abstimmungsvorlage zu Organspende auch sehr persönlich. Es wird spannend, wie die Schweizer entscheiden werden. 

Eine sehr gute Aufbereitung zu den Abstimmungsthemen auch mit Kurzvideos finden Sie unter easyvote (1).

Österreich – von Impfpflicht bis Tiertransporte 
In Österreich werden Volksbegehren sehr rege genutzt, um Anliegen in die Öffentlichkeit und auf die Tagesordnung des Parlamentes zu bringen. Auch wenn die Volksbegehren nicht rechtlich bindend sind, sie stoßen wichtige öffentliche Debatten an und bringen Themen auf die Tagesordnung des Parlaments. Das ist weniger Mitbestimmung als in der Schweiz, aber mehr als bei uns, wo es nur die Bitte (Petition) gibt, die bei einem Ausschuss landet.  

Vom 2. bis 9. Mai konnten sieben Volksbegehren unterschrieben werden. Die Begehren umspannten Themen wie Korruption, Impfpflicht, Tierschutz, Arbeitslosengeld, Grundeinkommen und die Gesundheit der Jugend. Sechs von sieben Volksbegehren waren erfolgreich und kamen über die 100.000er-Hürde. Die erfolgreichste Initiative war „Stoppt Lebendtier-Transportqual“, gefolgt vom Antikorruptionsvolksbegehren (2).

Von Europa möchte ich einen Sprung nach Südamerika machen, da in Chile am 04. September eine außergewöhnliche Volksabstimmung stattfindet.

Chile – die gemeinsame Verfassung 
Die Chilen geben sich eine neue Verfassung. Von Anfang an wurden alle Chilenen und Chileninnen an dem mehrjährigen Verfassungsprozess beteiligt.  

Die alte Verfassung stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur und es brauchte große Demonstrationen im Jahr 2019, damit die Chilenen ihren Weg zu einer neuen Verfassung gehen konnten.  

In einer Volksabstimmung 2020 stimmten die Chilenen für eine neue Verfassung und die Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung. 

Und dann wurde im ganzen Land an der zukünftigen Verfassung gearbeitet. Die Bürger hatten das Recht, Vorschläge auszuarbeiten und mit einzubringen. Tausende von Nachbarschaftsversammlungen fanden dafür statt. Vorschläge konnten eingereicht werden, wenn für sie mindestens 15.000 Unterschriften aus vier verschiedenen Regionen gesammelt wurden.  

Am 04. September ist es dann so weit. Die Chilenen stimmen über ihre gemeinsame Verfassung ab.  

Einen guten Überblick über den Prozess finden sie in einem Gesprächsvideo unserer Partnerorganisation „Mehr Demokratie e.V.“ (3).

Wachsen und Druck machen! 
Auch wir in Deutschland wollen Mitbestimmungsrechte haben wie unserer Nachbarn! Deshalb haben wir ABSTIMMUNG21 gegründet und in einem ersten Lauf im vergangenen Jahr gezeigt, dass und wie das funktioniert, wenn sich Menschen zusammentun, um wichtige Themen nach vorn zu bringen. 

Aber damit es endlich bundesweite Volksabstimmungen geben kann, brauchen wir ein entsprechendes Gesetz. Dazu müssen wir weiterhin Druck machen. Je mehr wir werden, desto besser kann das klappen. Deshalb können Sie bei der Anmeldung zur nächsten selbstorganisierten Volksabstimmung entscheiden, ob Sie einmalig oder gleich regelmäßig mitmachen wollen. Mit jeder neuen Abstimmung und den neuen Themen kommen weitere Menschen dazu. So wächst die Anzahl der Abstimmenden von Jahr zu Jahr – und der politische Druck ebenso.  

Unsere Bewegung ist parteipolitisch neutral und lebt von der regelmäßigen Unterstützung möglichst vieler Menschen. Deshalb unsere Bitte: Machen Sie mit! 

Ob 2, 10 oder 50 Euro – jeder Beitrag hilft! Unterstützen Sie jetzt unsere Arbeit!

P.S.: Falls Sie sich noch nicht für die zweite Volksabstimmung 2022 angemeldet haben, können Sie es unter www.abstimmung21.denachholen.
Quellen
1. Website easyvote (https://www.easyvote.ch/de/abstimmungen/15-mai-2022-1)
2. Stefanie Rachbauer und Manuel Escher, DerStandard: „Sechs von sieben Volksbegehren kamen über 100.000er-Hürde“ (https://www.derstandard.de/story/2000135575807/307-620-unterschriften-fuer-das-antikorruptionsvolksbegehren)
3. Website Youtube, Mehr Demokratie e.V. : „Das Demokratie-Experiment: Wie Chile sich eine neue Verfassung gibt“ (https://www.youtube.com/watch?v=EmFeraS_6dQ)

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