Abstimmungsvorlage
Thema 2:
Antibiotika in der Nutztierhaltung
Initiativteam
Wolfgang Triebel mit der ehemaligen Klasse 6c des Gymnasiums Buckhorn in Hamburg und Deutsche Umwelthilfe e.V.
Ausführliche Informationen
Ausführlichere Informationen zu dieser Vorlage im Abstimmungsheft (Seite 24).
Abstimmungsfrage
Stimmen Sie für die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung?
Erklärvideo
Um was geht es?
Für die Behandlung von schweren und lebensbedrohlichen bakteriellen Erkrankungen bei Menschen und Tieren sind Antibiotika besonders wichtig. Viele Therapien der modernen Medizin wie Krebsbehandlungen und Transplantationen sind auf wirksame Antibiotika angewiesen.
Wird ein Antibiotikum zu häufig oder unsachgemäß verwendet, besteht die Gefahr der Bildung resistenter Keime. Bei Infektionen mit diesen Keimen wirkt das Antibiotikum nicht mehr. Reserveantibiotika sind für den Notfall vorgesehen, wenn alternative Medikamente oder Standard-Antibiotika nicht helfen.
Diese Antibiotikaresistenzen werden als eine globale, zunehmende Gesundheitsbedrohung angesehen. In Deutschland sterben jährlich bis zu 9.700 Menschen an antibiotikaresistenten Keimen. Weltweit sind es 1,27 Millionen Menschen.
In der konventionellen Nutztierhaltung werden bei Krankheitsfällen normalerweise nicht einzelne Tiere, sondern ganze Gruppen mit Antibiotika behandelt. Dabei handelt es sich zum Teil um die gleichen Wirkstoffe wie die, die auch beim Menschen eingesetzt werden. 2022 wurden in Deutschland insgesamt 812 Tonnen Antibiotika verkauft, rund 67 % davon für die Verwendung bei Tieren, größtenteils bei Nutztieren. 96 t davon waren Reserveantibiotika. Durch den Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung entstehen resistente Keime. Diese können über verschiedene Wege in die Umwelt gelangen und dadurch auch zu Erkrankungen beim Menschen führen.
Derzeit gibt es dazu folgende Regelungen:
1) Reserveantibiotika
Laut EU–Verordnung “sollten” Reserveantibiotika nicht in Tierarzneimitteln oder Arzneifuttermitteln verwendet werden. Ein Verbot besteht jedoch nicht.
2) Sanktion bei zu hohem Einsatz von Antibiotika
Nutztierbetriebe, die mehrfach hintereinander sehr häufig Antibiotika anwenden, müssen nach aktueller Rechtslage der zuständigen Behörde Maßnahmenpläne vorlegen. Diese kann daraufhin Maßnahmen anordnen.
3) Einsatz von Erregertests
Bislang gibt es keine allgemeine Pflicht zum Erstellen eines Erregertests vor der Behandlung mit Antibiotika.
4) Verschreiben und Verkaufen von Antibiotika
Tierärzte und -ärztinnen beziehen Antibiotika direkt beim Hersteller. Wenn sie die Medikamente verschreiben, verkaufen sie diese an die Nutztierhöfe.
Vorschlag
Die Initiative schlägt Regelungen vor, um den Einsatz von Antibiotika, insbesondere Reserveantibiotika, in der industriellen Nutztierhaltung zu reduzieren.
Was würde sich ändern?
1) Verbot von Reserveantibiotika für Gruppenbehandlung
Der Einsatz aller Reserveantibiotika als Gruppenbehandlung in der Nutztierhaltung ist verboten. Bei Einzelbehandlungen und Haustieren dürfen sie weiterhin eingesetzt werden.
2) Schärfere Sanktion bei zu hohem Einsatz von Antibiotika
Nutztierbetriebe, die im Vergleich zu den anderen Betrieben am meisten Antibiotika anwenden, müssen ihre Besatzdichte, also die Anzahl an Tieren je Quadratmeter, um ein Drittel verringern.
3) Erregertest-Pflicht
Tierärztinnen und -ärzte erstellen vor jedem Antibiotikaeinsatz einen Erregertest, um zu ermitteln, welcher Wirkstoff erforderlich ist.
4) Trennung von Verschreiben und Verkaufen von Antibiotika
Tierärzte und -ärztinnen dürfen Antibiotika für Gruppenbehandlungen in industriellen Nutztierbetrieben nicht verschreiben und zugleich selbst verkaufen.
PRO-ARGUMENTE
Resistenzprävention
Ein geringerer Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung reduziert das Risiko, dass sich multiresistente Keime entwickeln und verbreiten, und trägt dazu bei, die Wirkung antibiotischer Medikamente zur Behandlung schwerer Infektionen bei Menschen zu sichern.
Reserveantibiotika schützen
Durch das sofortige Verbot von Gruppenbehandlungen mit Reserveantibiotika kann verhindert werden, dass sich gegen diese Antibiotika mehr Resistenzen entwickeln. Da Einzelbehandlungen weiter erlaubt sind, ist die Gesundheitsversorgung trotzdem gegeben.
Gezieltere Antibiotika-Anwendung
Erregertests ermöglichen eine effektive Behandlung, indem wirksame Antibiotika gezielt eingesetzt werden können.
Sanktion: Mehr Platz für Nutztiere
Die vorgeschlagene Sanktion bei zu hohem Einsatz von Antibiotika schafft Anreize, deren Anwendung zu verringern. Haben die Nutztiere mehr Platz, führt das zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Tiere und der Bedarf an Antibiotika kann sinken.
Interessenkonflikte vermeiden
Die Trennung von Verschreiben und Verkaufen von Antibiotika in der Tierhaltung verhindert mögliche Interessenkonflikte bei Tierärztinnen und -ärzten, die nicht mehr vom Verkauf profitieren.
CONTRA-ARGUMENTE
Wirtschaftliche Auswirkungen und Wettbewerbsfähigkeit
Die Regelungen führen zu höheren Kosten und Wettbewerbsnachteilen gegenüber Betrieben aus anderen Ländern. Dies kann zu Arbeitsplatzverlusten, Betriebsschließungen und höheren Verbraucherpreisen führen. Besonders die Sanktionsregelung führt regelmäßig dazu, dass sich Betriebe stark umstellen müssen. Dies kann auch passieren, wenn sie ihren Antibiotikaeinsatz reduziert haben. Es ist für die Betriebe schwer berechenbar, ob sie betroffen sein werden.
Ausbreitung von Krankheiten in Tierställen
Eine schnelle Behandlung kann helfen, die Ausbreitung von Krankheiten in großen Tierbeständen zu kontrollieren. Die Maßnahmen können dazu führen, dass eine schnelle Behandlung nicht mehr möglich ist und es zu höheren Infektionszahlen und Sterblichkeitsraten kommt.
Sanktionsregelung
Der hohe Antibiotikaverbrauch in der Nutztierhaltung hat vielfältige Gründe, darunter Hygienemängel, Krankheiten durch Zucht oder eine unzureichende tiermedizinische Versorgung. Die Sanktionsregelung greift diese Gründe nicht auf, sondern bezieht sich nur auf die Besatzdichte.
Unklarer Nutzen
Der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung kann über die Bildung von Resistenzen zu Erkrankungen beim Menschen führen. Nicht geklärt ist, wie schnell und umfangreich das geschieht. Der zusätzliche Nutzen der Maßnahmen für die menschliche Gesundheit ist daher nicht klar. Dem stehen konkrete negative Auswirkungen für Wirtschaft, Betriebe und Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber.
Gesprächsrunden zum mitmachen
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