Abstimmungsvorlage

Thema 2: Keine Profite mit Krankenhäusern

Initiativteam

BunteKittel „Berliner Initiative für Wandel im Gesundheitssystem e.V.”, Gemeinschaft „Die Gesundheitswesen“ und Gregor Gysi.

Details

Ausführlichere Informationen zu dieser Vorlage im Abstimmungsheft.

Ziel

Das aktuelle Krankenhausfinanzierungssystem wird in ein gemeinwohlorientiertes System überführt.

Ausgangslage

Im Jahr 2004 wurde eine Neuordnung der Krankenhausfinanzierung beschlossen mit dem Ziel, ein „durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem für Krankenhäuser einzuführen“. Dafür wurde das sogenannte DRG-System (Diagnosis Related Groups – diagnosebezogene Fallgruppen) als neues Abrechnungssystem eingeführt.

Die Patientinnen und Patienten werden nach Krankheitsart (Haupt- und Nebendiagnose), Art der Komplikation, erbrachten Leistungen (Operationen und Prozeduren) und damit verbundenen Aufenthaltsdauern im Krankenhaus in Fallgruppen eingeordnet. Auf dieser Basis rechnet das Krankenhaus die Kosten mit den Krankenkassen ab.

Ziele waren unter anderem eine kürzere Liegezeit im Krankenhaus, eine Stabilisierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, eine leistungsbezogene Vergütung der Krankenhäuser sowie transparentere Leistungen und Kosten der Krankenhäuser. Der Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander sollte gefördert und das Prinzip „Geld folgt Leistung“ gestärkt werden.

In der Politik wird kontrovers über Möglichkeiten einer Reform diskutiert. Seit Jahren wird das System von unterschiedlichen Berufsgruppen im Krankenhaus kritisiert, andere politische Akteure verweisen auf dessen Vorteile.

Was würde sich ändern?

Wird die Abstimmungsvorlage angenommen, würde ein gemeinwohlorientiertes Finanzierungssystem das bisherige Finanzierungssystem ersetzen. Zur Ausarbeitung würde eine Enquete-Kommission eingesetzt bestehend aus Patientinnen- und Patienten, Angestelltenvertretungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, berufspolitischen Verbänden, Politik, Krankenhausträgern, Krankenversicherungen und dem deutschen Ethikrat.

Änderungen im Einzelnen

Diese Punkte wären im neuen System zu berücksichtigen:

 

  • Keine Profite mit Krankenhäusern, finanzielle Überschüsse werden vollständig reinvestiert
  • Bundesweite Krankenhausbedarfsplanung und Sicherstellung der wohnortnahen Basisversorgung in öffentlicher Hand
  • Definition und Etablierung bundeseinheitlicher Personaluntergrenzen für die verschiedenen Fachabteilungen und Berufsgruppen
  • Tarifbindung für alle Klinikangestellten
  • Medizinische Maßnahmen wie Beratungs- und Aufklärungsgespräche, Zeit am Patientenbett und psychologische Betreuung der Patientinnen und Patienten, etc. werden im Finanzierungssystem adäquat abgebildet
  • Verbindliche Festlegung bundeseinheitlicher Aus- und Weiterbildungsstandards nach Maßgabe von Personalvertretungen und Berufskammern

Abstimmungs-

frage

Stimmen Sie für die Überführung des aktuellen Krankenhausfinanzierungssystems (DRG-System) in ein gemeinwohlorientiertes Finanzierungssystem mit mindestens den angegebenen Zielen und Forderungen?

Pro Argumente

Im jetzigen System werden durch wirtschaftlichen Druck Prozeduren durchgeführt, die nicht zwingend notwendig sind und ohne Aussicht auf Gesundung manchmal sogar das Leiden verlängern. Bereiche werden ausgebaut, die Gewinn bringen wie Wirbelsäulenchirurgie, und andere abgebaut, die keinen Gewinn versprechen wie z.B die Kinderheilkunde. Dadurch entstehen in einzelnen Bereichen regional Überangebote.

Ein gemeinwohlorientiertes Finanzierungsmodell gibt medizinischem und pflegerischem Personal die Freiheit zurück, ohne wirtschaftlichen Druck diagnostische, therapeutische und pflegerische Entscheidungen zu treffen. Das Wohl der Patientinnen und Patienten ist oberstes Ziel.

Durch eine hohe Anzahl an Patientinnen und Patienten mit kürzerer Liegezeit lassen sich derzeit besser Profite erwirtschaften. Das führt zu vorzeitigen Entlassungen, kurzfristig notwendigen Wiederaufnahmen und Kostenverlagerungen in Rehakliniken. Außerdem werden manche Eingriffe von vornherein als zwei Termine geplant, da besser abrechenbar.
Zur Gewinnmaximierung wird Pflegepersonal so weit eingespart, dass eine Pflegekraft im Tagdienst im Durchschnitt fünf Patientinnen oder Patienten mehr versorgt als in anderen europäischen Ländern. Damit steigt die Sterblichkeit der zu Versorgenden. Auch Reinigungs- und Küchenpersonal wird eingespart, so dass deren Aufgaben teilweise auf Pflegepersonal übertragen oder ausgelagert werden.
Die Regulierungen des DRG-Systems sind mittlerweile so komplex, dass selbst führende Akteurinnen und Akteure des DRG-Systems den Überblick verlieren. Seit Jahren verstärkt sich der Eindruck eines höchst intransparenten Systems.

Contra Argumente

Krankenhäuser können durch das jetzige DRG-System eigenverantwortlich, effizient und ressourcenschonend wirtschaften. Leistungen, Kosten und Erlöse sind besser sichtbar.
Das DRG-System kann als „lernendes System” weiterentwickelt werden. Eine Abschaffung ist daher nicht notwendig. Fehlentwicklungen sollen durch Reformen und Anpassungen des bestehenden Systems beherrscht und beseitigt werden.
Eine kürzere Liegezeit ist nicht zwangsläufig negativ zu bewerten und kann auch im Sinne der Patientinnen und Patienten sein. Im vorherigen Finanzierungssystem wurde z.B. jeder Behandlungstag pauschal vergütet, was wiederum zu einem Fehlanreiz mit unnötig langen Liegezeiten führte.
Ein Wettbewerb zwischen Krankenhäusern kann Anreize zur Spezialisierung der medizinischen Versorgung bieten.
In den Ballungsräumen sorgt der Wettbewerb für mehr berufliche Auswahlmöglichkeiten der Angestellten.

Sonstige Hinweise

Seit 2020 werden die Kosten für das Pflegepersonal aus den DRG-Fallpauschalen ausgegliedert. Seither sollen die Krankenkassen den Krankenhäusern ihre Pflegestellen kostendeckend finanzieren. Dies beruht auf dem 2018 verabschiedeten Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG).

Positionen der Parteien

(Stand: 26.04.2021)

So stehen die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zu der Überführung des aktuellen Krankenhausfinanzierungssystems (DRG-System) in ein gemeinwohlorientiertes Finanzierungssystem:

ParteienKommentareAmpel
CDUInitiatoren des DRG-Ansatzes, Krankenhäuser als
Wirtschaftsunternehmen. Die geplante Krankenhausreform
in der 19. Legislaturperiode wurde
2020 abgesagt. Dafür das Krankenhauszukunftsgesetz
- Schwerpunkt Digitalisierung - verabschiedet.
rot
SPDMitverantwortung für das bisherige System, Überprüfung
und Überarbeitung der Fallpauschalen,
aber nicht Abschaffung. Setzen auf Digitalisierung.
rot-gelb
AfDEindeutige Forderung nach der Abschaffung des
DRG-Systems und Ersetzung durch das Prospektiv-
Regional-Pauschalensystem (PRP).
grün
FDPKrankenhäuser werden als gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen
betrachtet.
rot
DIE LINKEVorschlag eines Systemwechsels weg vom DRGSystem
hin zu einer staatlichen Finanzierung.
grün
GRÜNEForderung nach einer Strukturreform innerhalb des
bestehenden Systems, ohne genaue Präzisierung.
gelb - grün
CSUMitinitiatoren des DRG-Ansatzes, Krankenhäuser
als Wirtschaftsunternehmen. Die geplante Krankenhausreform
in der 19. Legislaturperiode wurde
2020 abgesagt. Dafür das Krankenhauszukunftsgesetz
- Schwerpunkt Digitalisierung - verabschiedet.
rot

Quellen für die Parteipositionen

CDU/CSU:
Bundestag, Familie, Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales, Rede von Annette Widmann-Mauz (16.10.2015): Entwicklung am Bedarf und an der Qualität orientieren. Rede zur Krankenhäuser gemeinwohlorientiert und bedarfsgerecht finanzieren. Abrufbar unter: https://www.cducsu.de/themen/familie-frauen-arbeit-gesundheit-und-soziales/entwicklung-am-bedarf-und-der-qualitaet-orientieren
Deutsches Ärzteblatt (2021): Bundesgesund­heitsminister Spahn kann sich Reform des DRG-Systems vorstellen. Abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/116571/Bun%C2%ADdes%C2%ADge%C2%ADsund%C2%ADheits%C2%ADmi%C2%ADnis%C2%ADter-Spahn-kann-sich-Reform-des-DRG-Systems-vorstellen

SPD:
Deutsches Ärzteblatt (2021): Bürgerversicherung und Digitalisierungs­förderung Teil des SPD-Wahlprogramms. Abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/121601/Buergerversicherung-und-Digitalisierungsfoerderung-Teil-des-SPD-Wahlprogramms
SPD (2021): Das Zukunftsprogramm. Wofür wir stehen. Was uns antreibt. Wonach wir streben. Abrufbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Parteispitze/20210321_Zukunftsprogramm_Leitantrag.pdf

Bündnis90/Die Grünen:
Deutsches Ärzteblatt (2021): Grüner Programmentwurf: Viele Vorhaben für das Gesundheitswesen. Abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122222/Gruener-Programmentwurf-Viele-Vorhaben-fuer-das-Gesundheitswesen
Bündnis 90/Die Grünen (2021): Deutschland. Alles ist drin. Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021. Abrufbar unter: https://cms.gruene.de/uploads/documents/2021_Wahlprogrammentwurf.pdf
Bündnis 90/Die Grünen (2020): Veränderung schafft Halt. Grundsatzprogramm. Abrufbar unter: https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200125_Grundsatzprogramm.pdf

Die Linke:
Die Linke: Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit! Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2021. Vorgelegt von Katja Kipping und Bernd Riexinger. Abrufbar unter: https://www.die-linke.de/fileadmin/download/wahlen2021/BTWP21_Entwurf_Vorsitzende.pdf. Siehe darin Kapitel: Pflegenotstand stoppen! Systemwechsel in Gesundheit und Pflege. Abrufbar unter: https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogrammdebatte-2021/wahlprogrammentwurf-2021/pflegenotstand-stoppen-systemwechsel-in-gesundheit-und-pflege/

FDP:
FDP: DENKEN WIR NEU. DAS PROGRAMM DER FREIEN DEMOKRATEN ZUR BUNDESTAGSWAHL 2017: „SCHAUEN WIR NICHT LÄNGER ZU.“ Kapitel: der Patient im Mittelpunkt, Seite 88ff. Abrufbar unter: https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2017/08/07/20170807-wahlprogramm-wp-2017-v16.pdf

AFD:
Bundestag, 1. Lesung (11.03.2021): Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Über- und Fehlversorgung in Krankenhäusern beenden – Abschaffung des DRG-Systems im Krankenhaus und Einführung des Prospektiv-Regionalen-Pauschalensystems – PRP-System“. Abrufbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw11-de-krankenhaeuser-fehlversorgung-685576

Ampel-Legende:
grün = vollständige oder weitgehende Übereinstimmung
gelb = teilweise Übereinstimmung
rot = Ablehnung

Hausparlamente

Von Mai bis August (20.08.2021) organisieren wir im ganzen Land kleine Gesprächsrunden zu diesem Thema (sogenannte Hausparlamente). Melden Sie sich an und lernen Sie neue interessante Menschen und Positionen kennen. Deren Ergebnisse und mehr Information finden Sie unter: https://www.openpetition.de/hp/keineprofite.

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